Emmausgang nach Sigrün bei Wald b. Winhöring
Als ich 1963 im Landratsamt Altötting meine Ausbildung angefangen habe, da gab es im Landkreis noch 43 oder 44 Gemeinden. Ich hab mir gedacht, ich erzähl euch heute einmal von zwei so kleinen Gemeinden aus dem Gebiet, wo wir jetzt sind. Eine der kleinsten im Landkreis war die Gemeinde Eggen . Eine „Obmannschaft auf der Öggen“ ist 1.326 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Ein Dorf mit dem Namen Eggen gibt es nicht. Auch die heutige Ortschaft Wald b. Winhöring war nie ein Dorf sondern der Mittelpunkt einer großen Streusiedlung. Nach der Verwaltungsreform 1.818, als in Bayern die Gemeinden eingeteilt wurden, entstand die Gemeinde Geratskirchen II, später dann nur Geratskirchen. 1.956 wurde sie in Wald b. Winhöring umbenannt. Dann gab es in der Nachbarschaft die kleine Gemeinde Eggen, die 1967 aufgelöst und der Gemeinde Wald b. Winhöring zugeschlagen wurde. Auch das hatte nicht lange Bestand: schon fünf Jahre später, also 1.972, hat die Gemeindegebietsreform die Gemeinde Wald b. Winhöring nach Pleiskirchen eingemeindet und das ist der jetzige Stand. Das sind so nüchterne Zahlen und Tatsachen, aber tatsächlich waren das unruhige Zeiten im Holzland.
Der heutige Ort Wald b. Winhöring muss aber doch eine gewisse Bedeutung gehabt haben, denn es gab neben dem Schmidanwesen zwei Bauern und eine relativ große Taverne. Die Dorflinde neben der kleinen Erhöhung, wo heute die Kirche steht, war oder ist der zweitälteste Baum des Landkreises mit einem geschätzten Alter von 900 Jahren. Jetzt stehen leider nur noch Teile des Stammes, aber sie hatte einen Stammumfang von 7.20 m und einen Durchmesser von 2.40m. Bei der Dorflinde war in früheren Zeiten ein wichtiger Platz. Die Verehrung von Bäumen gehört zu den ältesten Kulthandlungen der Menschen. Bei den Germanen standen sie an Thingplätzen und Gerichtsplätzen. Wer weiß, was dieser Baum so alles erzählen könnte.
Kirchlich war Wald b. Winhöring ursprünglich eine Filiale von Winhöring. 1.721 kam der Ort zusammen mit Winhöring an den Grafen von Toerring zuvJettenbach. Er hat 1.803 ein Benefiziurn von Frauenbühl in Winhöring nach Wald überfragen und in ein Schulbenefizium umgewandelt, d.h. der Geistliche, den der Graf bezahlt hat, hat außer Gottesdienst auch die Schulkinder unterrichtet. Bis zum Jahre 1.816 war das ein Exfranziskaner aus dem Kloster Zangberg, das in der Säkularisation aufgehoben wurde. Es ist auch ganz interessant, denn wo sind denn die vielen Mönche und Nonnen aus den ehe maligen Klöstern geblieben?
Seit ungefähr 1.700 stand auf der Anhöhe neben der Dorflinde ein kleines Kircherl, das die Tafernenbesitzer auf eigene Kosten erbaut hatten. Im Jahre 1.897 wurde dann die Pfarrei Wald b. Winhöring gegründet, aber schon ab 1.882 hat man auf diesem Platz mit dem Bau der neuromanischen Pfarrkirche begonnen. Sie hat das Patrozinium Maria Hilfe der Christen.
Unser heutiges Ziel ist die Kirche in Sigrün, ursprünglich eine Filialkirche von Winhöring, jetzt von Wald b. Winhöring. Es ist eine spätgotische Kirche aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundert, wie es aus dieser Zeit sehr viele bei uns auf dem Land gibt. Erbaut und finanziert wurde sie von Bauern aus der Umgebung. Sie ist aus Ziegelsteinen erbaut, leider wurde sie später verputzt.
Die Kirche ist dem Hl. Kolomann geweiht und etwas unterhalb in der Wiese steht eine hölzerne Korona-Kapelle. Nur etwa 8 km Luftlinie von hier gibt es in Niederaich genauso eine Kombination von einer Kolomann-Kirche und einer Korona-Kapelle. In einem verschobenen Viereck von etwa 8 km Seitenlänge steht auch noch in Kirchhaunberg eine Kolomann-Kirche und in Birnbach eine Korona-Kapelle. Beides sind nicht so häufige Patrozinien und es wäre ganz interessant, was das für Gründe hat.
Der Name Sigrün bedeutet eine Ansiedlung in einem Tal, wo die SinngrünPflanze wächst, das ist meistens in einer feuchten Wiese. Diese Pflanze ist das kleinblättrige Immergrün und war in der Volksmedizin einmal sehr angesehen. Heute verwendet man sie kaum noch, weil sie in allen Teilen giftig ist.
Der Hl., Kolomann war im 11. Jahrhundert österreichischen Stockerau unterwegs. Wegen seines fremdartigen Aussehens hielt man ihn für einen böhmischen Spion und hängte ihn an einem Hollerstrauch auf. Als sein Leichnam nicht verweste und die ersten Wunder geschahen, überführte man ihn 1.014 in die damalige Residenz der Babenberger nach Melk. Damals gehörte das Land noch zum Bistum Passau. Von 1.244 bis 1.663 war er der Landespatron Österreichs und dann wurde er vom Hl. Leopold abgelöst. Dargestellt wird er als Pilger und er ist der Schutzheilige der zum Strang verurteilten, der Reisenden und Feuersgefahr und bei Ratten- und Mäuseplage. Ein sehr vielseitiger Helfer!
Ohne Wasser gibt es kein Leben und drum wird das Wasser schon seit Urzeiten verehrt. Die Stelle, an der das Wasser aus der Erde austritt, war unseren Vorfahren ein heiliger Platz. Besonders verehrt wurden Quellen, die nie versiegen und auch im Winter nicht zufrieren. Die Kirche hat schon im 5. Jahrhundert versucht, die Menschen von der Quellenverehrung abzubringen: mit mäßigem Erfolg! Man ist dann dazu übergegangen, manche Quellen zu weihen und ihr eine Patronatsfigur beizugeben, manchmal wurde an diesen Orten auch eine Kapelle oder Kirche gebaut. Zu so abgelegenen Orten wie hier, sind die Menschen wahrscheinlich immer gekommen und sie haben sich vielleicht nicht allzu viel Gedanken gemacht, ob das jetzt etwas „Heidnisches“ sein könnte. Es gab keine ärztliche Versorgung und bei so Manchem wie Augenleiden, Ausschlag, Fieber und Lähmungen hat das Quellwasser geholfen.
Auch hier in Sigrün war so eine bäuerliche Quellenkultstätte. Wenn die Menschen Heilung oder Linderung erfahren haben, dann haben sie Votivgaben gebracht und oft wurde dann eine kleine -meistens hölzerne- Kapelle gebaut. Die Holzkapelle ist um das Jahr 1.603 errichtet worden und der Hl. Corona geweiht. Im 19. Jahrhundert wurde sie umgebaut.
Hierher kamen die Menschen vor allem wegen Augenleiden und Zahnschmerzen. Bei Zahnschmerzen wurden Blechlöffel mit einem Ei und Salz als Votivgabe niedergelegt. Viele Votivgaben und —bilder wurden gestohlen und drum ist der eigentliche Andachtsraum auch nicht mehr zugänglich.
I .802 wurde in Bayern die allgemeine Schulpflicht eingeführt.
Ich hab euch schon erzählt, dass 1.803 der Graf von Toerring ein Schul-Benefizium für Wald b. Winhöring gestiftet hat und er hat auch noch ein Wohnhaus für den Benefiziaten und ein Schulhaus gebaut. Dieser kleine Ort war also im Vergleich zu vielen anderen auf dem Land relativ gut dran.
Im gleichen Jahr, also 1.803, wurde dann durch eine staatliche Verordnung die geistliche Schulaufsicht begründet, die bis ins 20. Jahrhundert bestanden hat. In der Regel war das der Pfarrer oder der Kaplan. In jedem Landgerichtsbezirk gab es mehrere Inspektoren, die die Schulen unter sich aufgeteilt hatten und 1/4 jährlich an das Oberschulkommissariat in Burghausen berichtet mussten . Hier in diesem Gebiet war zuständig der Schlossbenefiziat Zwenger. Er war schon sieben Jahre im Schloss Klebing, wo er außer Messelesen keine Aufgaben hatte. Er hat sich um den Posten als Schulinspektor beworben und sich leidenschaftlich für die Schulen engagiert. Wir haben einige solcher Visitationsprotokolle aus dieser Zeit, über die werde ich euch bei anderer Gelegenheit einmal erzählen.
Aber die eigentliche Aufsicht hatte der Pfarrer vor Ort. Und so mancher Pfarrer hat dem „Dorfschulmeisterlein“ das Leben schwer gemacht, besonders wenn der vielleicht zu fortschrittliche Ansichten hatte.